Wir schreiben das Jahr 1066. Tiefes Mittelalter, das andalusische Granada floriert und liegt fest in arabischer Hand. Auch eine grössere jüdische Gemeinschaft hat sich in Granada angesiedelt. Sie lebt gut integriert und wirtschaftet erfolgreich. Doch macht sich zunehmend Unmut in der islamischen Bevökerung breit. Die Juden zeigten keinen Respekt gegenüber dem Islam, hielten Abmachungen nicht ein, hörte man. Am 30. Dezember 1066 entlädt sich diese Stimmung in der schrecklichsten nur denkbaren Art.
Eine aufgebrachte Menschenmenge, ein wütender Mob, macht sich auf zum Palacio Real, dem Königspalast. Gewaltsam verschaffen sich die Muslime Eintritt, schnappen sich den mächtigen jüdischen Wesir Joseph inb Naghrela, nageln ihn an ein Kreuz, wo er in der Folge elendig zu Grunde geht. Danach setzt das eigentliche Massaker ein. Der Mob zieht los und massakriert gnadenlos alle Juden, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Frauen und Kinder werden nicht verschont, 1500 Familien werden ausgerottet, insgesamt 4000 Jüdinnen und Juden brutal ermordet. Es ist das vorläufige Ende der jüdischen Gemeinschaft in Granada.
Die Wertung des Ereignis ist problematisch. Einerseits wird das Massker als erster antijüdischer Pogrom auf dem europäischen Kontinent gewertet, andererseits als aussergewöhnliches Ereignis in einer langen Geschichte des friedlichen Zusammenlebens von Muslimen und Juden.
Die kulturelle Vielfalt Granadas fasziniert bis heute. Für Touristen, Sprachstudenten und Kulturinteressierte ist die Stadt in Spanien ein Paradies. Das Viertel Realejo ist bis heute jüdisch geprägt, im Albayzin wird soviel arabisch gesprochen wie spanisch (dort befindet sich die Sprachschule Delengua), das Stadtbild schliesslich ist stark geprägt von prunkvollen katholischen Bauten, wie der gewaltigen Kathedrale von Granada. Granada erlebte dunkle Zeiten, wie das Beispiel des Massakers von 1066 zeigt. Heute leben die verschiedenen Kulturen weitgehend friedlich miteinander.